Einsatzbibliothek.1

EINSATZBIBLIOTHEK #1 - UVALDE, TX 2022

UVALDE 2022 - Beim Amoklauf an der Robb Elementary School in der Kleinstadt Uvalde im US-Bundesstaat Texas wurden am 24. Mai 2022 19 Schulkinder und zwei Lehrerinnen erschossen und 15 weitere Kinder sowie ein Polizist verwundet. Der 18-jährige Täter, Salvador Ramos, hatte zuvor seine Großmutter angeschossen und wurde schließlich seinerseits von der Polizei getötet.


  • Zielgruppe

    Zielgruppe sind Schutzpolizei, Rettungskräfte, Hundertschaften, LKAs, BKA und sonstige bewaffnete Einsätzkräfte, die aufgrund ihres dezentralen Auftrags in die Lage versetzt werden könnten, wegen ihres Standorts Kräfte der ersten Stunde zu werden.


    Ganz speziell ist zu klären, wenn eine Lage dieser Art stattfindet und bspw. Kräfte des Zolls räumlich am nächsten sind. Greifen diese Kräfte ein? Was bedeutet das für die Koordination untereinander? Ist die Lebenserhaltung von Kindern überpositiv und erfordert damit letztlich ein Überschreiten von Dienstanweisungen, Aufträgen und Vorschriften, wenn die Grundkompetenz zur Gefahrenabwehr vorhanden ist?

  • Taktischer Schwierigkeitsgrad

    Der taktische Schwierigkeitsgrad wird als "normal" eingeschätzt. Der Täter ist weder taktisch kompetent, noch verfügt er über Fähigkeiten, die ihn überlegen machen. Spieltheoretisch ist der Täter ebenfalls im Nachteil. Durch Schutzausrüstung ergibt sich eine moderate Lebensgefahr. Durch die zum Einsatzbeginn unklare Situation der Kinder in der Gewalt des Täters entsteht hier eine Relevanz bzgl. dem Status einer potentiellen Geiselsituation.

  • Emotionale Schwierigkeit

    Die emotionale Schwierigkeit des Szenarios wird als extrem bewertert, speziell vor dem Hintergrund des realen Auskommens.

  • Schwerpunkt

    Der Schwerpunkt des Szenarios liegt nicht darin, die Lage taktisch zu lösen - sondern in der erweiterten Lage den Konflikt zwischen eingesetzten Kräften, emotionalem Druck und Führungsverantwortung. Vor allem geht es darum, wie sich Kräfte mit niedrigerem Dienstgrad in LeBel Lagen verhalten sollen, wenn Führungskräfte einfrieren oder Entscheidungen treffen, die das Vertrauen nachhaltig in die Behörden erschüttern können.


Lage: Mehrere Anrufer melden um 1130 Uhr Schüsse im Bereich einer Grundschule. Mindestens ein Täter, welcher sein Fahrzeug auf dem Schulgelände verunfallt hat, eröffnet mutmaßlich das Feuer auf das Gebäude und ist danach in jenes eingedrungen. Die Grundschule befindet sich derzeit in der Amok-Abriegelung.


In der Schule selbst sind ca. 200 Schüler im Alter von 6-12 und ca. 15 Lehrkräfte anwesend. Es herrschte normaler Schulbetriebt


EIGENE KRÄFTE: Erste verfügbare Einsatzkräfte POLIZEI und RETTUNG sind seit 1135 Uhr an der Schule im Roten Bereich eingesetzt. Weitere verfügbare Kräfte nähern sich unter Eigenschutz an.  

AUFTRAG: Eigene Kräfte sind im Rahmen einer Lebensbedrohlichen Einsatzlage (LbEl) eingesetzt, um das Schulgelände zu sichern, potentielle Täter festzunehmen und Tote zu verhindern.


DURCHFÜHRUNG: Erste Kräfte vor Ort übernehmen die Einsatzleitung und suchen den Tatort nach Tätern ab.


SOP (Standard Operating Procedure): Erste Kräfte übernehmen gleichzeitig auch Einsatzleiter-Aufgaben.


Sie haben in der VR mit ihrem Team den Tatort erreicht und erhalten vom temporären Einsatzleiter eine Lageinformation. Sie stellen sich darauf ein, die Lage potentiell unzureichend ausgerüstet und im Konflikt mit Vorgesetzten zu lösen.

Ausbilderkommentar:

In der Realsituation haben Einsatzkräfte des SHERIFFS, US MARSHALL und BORTAC (Border Tactical) mehr oder minder zusammengearbeitet. Die wesentliche Herausforderung war, dass Erst-Reaktions-Kräfte kurz nach Eintreffen und bei der Absuche unter Feuer des Täters gerieten und unter Eigensicherung auswichen, anstatt anzugreifen. Daraufhin folgte eine ca. 45minütige Nicht-Reaktion (bzw. Vorbereitung und versuchte Verhandlung) des Führers vor Ort. Um 1250 Uhr entschied Führer BORTAC (zu dem Zeitpunkt außer Dienst) mutmaßlich gegen den Einsatzbefehl des Führers vor Ort, den Zugriff auf den Klassenraum durchzuführen. Beim anschließenden Zugriff wird der Täter tödlich verwundet. 19 Kinder und zwei Lehrer sind verstorben.


Ausbilder-Learnings:

In LeBel Lagen muss unbedingt vermieden werden, dass sich Einsatzkräfte mit verschiedenen Kompetenzen gegenseitig im Weg stehen. Eine große Gefahr von LeBel ist, dass als souverän geltende Führer bzw. Kräfte die zuerst am Einsatzort sind und damit Führungsverantwortung haben, aufgrund der realen Lebensgefahr einfrieren können und keine oder unzweckmäßige / unzureichende Entscheidungen treffen. Es muss vor Ort von allen Beteiligten geübt werden, dass im Notfall die Führungsgewalt an sich genommen wird, um entsprechend klar, eindeutig und von vorn zu führen. Weiterhin ist die Vorbereitung der eigenen Ausstattung für LeBel relevant - z.B. mit Ballistischen Schilden.

In den USA hatte das Auskommen der Lage weitreichende Folgen: Bspw. versuchten Eltern während eines Amok-Lockdowns in die Thompson Ranch Elementary School vorzudringen, um ihre Kinder selbst zu retten. Dabei stellten sie sich BOS Kräften konfrontativ gegenüber, sodass mit Distanz-Elektroimpulsgeräten Festnahmen durchgesetzt werden mussten. Ein weiteres Erodieren des Vertrauensverhältnisses ist unbedingt zu vermeiden.

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